DIE WELT  31. DEZEMBER 2004
 

MIT KNALLFRÖSCHEN KNALLEN

25 JAHRE GALERIE DOROTHEA VAN DER KOELEN IN MAINZ

Von Marianne Hoffmann.

Seit Mainz 05 erfolgreich in Sachen Fußball unterwegs ist, weiß zumindest der Fußballfan, wo Mainz liegt. Aber Mainz-Bretzenheim? Hier würden allerdings die Ortskenntnisse der Fußballfans versagen.

Doch viele Kunstkenner und Kunstliebhaber haben über 25 Jahre mühelos den Weg nach Mainz -Bretzenheim gefunden und später nach Mainz-Laubenheim in die Halle Dammweg. Am 24. Oktober 1979 gründete die damals 19 jährige Abiturientin Dorothea van der Koelen eine Galerie in den Räumen ihres Elternhauses. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, daß diese kleine Galerie 25 Jahre später zur Galerien-Weltspitze gehören würde. Außer vielleicht Dorothea van der Koelen selbst. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann gelingt es. Und wenn ein Traum Realität werden soll, dann wird er es. Ihre Galerie in Venedig zum Beispiel. Sie wollte sich dort niederlassen, hat geeignete Räume gefunden, der Künstler Fabrizio Plessi war ihr dabei eine große Hilfe. Mittlerweile hat sie auch eine kleine Wohnung im gleichen Haus und wenn sie zum Fenster hinaus sieht, schaut sie auf die Rückseite des Fenice, das alte prächtige Opernhaus Venedigs, das nach einem Brand nun in neuem Glanz erstrahlt. Und Venedig? Die Stadt hat sie eingebürgert. Sie ist Venezianerin.

Dies alles, auch der 1995 gegründete Chorus Verlag, den sie mit ihrem Bruder Martin van der Koelen betreibt, ist nur mit Disziplin und Fleiß zu bewältigen. Eine Selbstverständlichkeit für sie. Sie arbeitet 16 Stunden und mehr pro Tag und findet, daß uns allen ein bißchen Askese gut stehen würde. Frau Dr. van der Koelen, wie sie sich auch gerne ansprechen läßt, hat selbstverständlich promoviert. Neben ihrer Galerietätigkeit versteht sich. Dafür verzichtet sie auch beinahe komplett auf ein Privatleben, wohnt weiterhin in Mainz-Bretzenheim mit Lore Bert, ihre Mutter und eine der bekanntesten Künstlerinnen ihrer Galerie, und sie teilen sich einige wenige private Räume, der Rest des ehemaligen privaten Wohnhauses ist Galerie und Verwaltung.

Mittlerweile schaut sie neben ihren Tätigkeiten als Autorin, Beraterin, Verlegerin, Jurorin , Vortragende auch auf 30 kuratierte Ausstellungen pro Jahr , die sich von Australien über die vereinigten arabischen Emirate bis nach Los Angeles ziehen. Sie verbreitet den Gedanken des "Konkret-konzeptuell-konstruktiven" Kunstgenusses konsequent weltweit und damit er auch definitiv für alle Zukunft gesichert ist, hat sie vor einem Jahr eine Stiftung in Mainz gegründet, die "van der Koelen-Stiftung für Kunst und Wissenschaft".

Es gibt schon ein Grundstück, einen Plan den ein Architekt gezeichnet, aber die Frau mit dem strengen schwarzen Zopf sich lange ausgedacht hat, und es gibt schon einen sechsstelligen Betrag der durch Spenden zusammenkam. Außerdem haben einige Journalisten und Künstler ihre Bücherregale geleert und seltene Kunstbücher im Hause van der Koelen abgeliefert. Der Grundstein für die Bibliothek ist damit auch schon gelegt.

Das Haus mit Galerie, Museum, Bibliothek, Café und so fort füllt sich langsam. Aber erst einmal muß das ganze Geld zusammenkommen - und das wird dauern. Aber wie schon beschrieben: einmal in den Kopf gesetzt... Und wenn es noch so lange dauert.

In ihrer Jubiläumsausstellung "Apriori", zeigt sie (noch bis Mitte Februar 2005) 25 internationale Künstler in ihren drei Galerien. Ob Uecker, ob Joseph Kosuth, Niele Toroni, sie haben sich etwas besonders zu diesem Jubiläum einfallen lassen. Mario Reis, seit 20 Jahren Künstler der Galerie, läßt es mal so richtig knallen mit den Knallfröschen und Vera Röhm zeigt poetische Nachtgedanken in schwarzen Quadern. Daniel Buren, Raimund Girke in memoriam, Bernar Venet, G.Y. Wu und - man könnte noch nahezu endlos fortfahren. Sie wurden an den drei "van der Koelen" Orten zusammengeführt , um "Apriori", der Kunst zu huldigen und dann erst der Galeristin. Sie will es so. Dorothea van der Koelen ist ein Glücksfall in der Galeristenszene: optimal trainiertes Wissen, die Liebe zum Buch, verbunden mit einer ausgeprägten Begabung zur Kunstvermittlung, sowie ein Händchen fürs Händlerische, gepaart mit einer freundlich-zurückhaltenden Art, daneben eine satte Portion Humor. Das bildet den Nährboden ihres Erfolges. Man darf sich nur nicht von dem langen schwarzen Zopf schrecken lassen.

Marianne Hoffmann     


(c) WELT.de 1995 - 2005