DIE WELT  15. JULI 2000
 

WAS MAN MIT KUNST SO ALLES MACHEN KANN

Die Galerie Dorothea von der Koelen besteht seit zwanzig Jahren
- Ein Interview

MAINZ - Der Vater Architekt, die Mutter Künstlerin - ein offenes Haus für kulturelle Begegnungen, und trotzdem kommt man nicht unbedingt auf die Idee, mit 19 Jahren eine Galerie zu eröffnen. 20 Jahre später kann Dorothea van der Koelen auf ein mehr als erfolgreiches Galeristendasein zurückschauen. Doch damit nicht genug: Studium der Kunstgeschichte, Romanistik und Buchwesen, Abschluss Promotion und seit einigen Jahren zusammen mit dem Bruder auch noch erfolgreiche Verlegerin. Mit Dorothea van der Koelen sprach Marianne Hoffmann.

DIE WELT:  Wie kommt man mit 19 Jahren auf die Idee eine Galerie zu eröffnen? Hatten Sie schon Erfahrung im Galeriebetrieb gesammelt?

Dorothea van der Koelen:  Als ich im Alter von 19 Jahren drei Monate nach Abschluss meines Abiturs im humanistischen Rhabanus-Maurus-Gymnasium in Mainz meine Galerie eröffnete und meine erste Ausstellung zeigte, dachte ich zunächst daran, für ein Jahr lang mich praktisch der bildenden Kunst zu widmen, bevor ich ein kunstwissenschaftliches Studium an der Universität in Mainz beginnen wollte. Aber nach 14 Tagen bereits war mir klar, das ist mein Leben - und an dieser Überzeugung hat sich bis heute nichts geändert. Erfahrungen im Galeriebetrieb hatte ich in der Frankfurter Westend-Galerie gesammelt, wo ich während meiner Schülerzeit immer wieder aushalf.

DIE WELT:  Sie haben mit 20.000 DM Kapital angefangen. Damals viel Geld, aber war das als Startkapital realistisch?

Dorothea van der Koelen:  20.000 DM Startkapital, das war vor 20 Jahren viel Geld - aber nur, wenn man es als Schüler während des Abiturs so nebenbei verdient hat, wie ich es getan habe. Als Startkapital für eine Galerie waren es auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich musste sehr bald zusehen, wie ich wenigstens die nächste Ausstellung wieder finanzieren konnte.

DIE WELT:  Zu Beginn der Galerietätigkeit bezog sich das Programm auf arrivierte Kunst. Auf Drucke, auf Künstlerbücher, zum Beispiel von Picasso. Dann kam der wirklich radikale Wandel. Wodurch?

Dorothea van der Koelen:  Wie ein guter Sammler und ein guter Künstler, so kann auch ein Galerist am Anfang seines Tuns auf der Suche sein. Auf der Suche nach dem, das seinen innersten Gedanken und Vorstellungen Ausdruck zu geben vermag. Nach dem, was seinen Hoffnungen und Wünschen Form verleiht. Und auf dieser Suche befand ich mich zu Beginn meiner Tätigkeit als Galeristin. Bis in die frühen 80er Jahre hinein konstituierte sich mein Galerie-Programm aus ganz jungen unbekannten Künstlern - zum Teil mit Erstausstellungen dieser Künstler - in der Mischung mit Klassikern, aber auch von diesen nur Teilbereiche ihres Werkes. Oft habe ich Ausstellungen gemacht, wenn ich etwas über einen Künstler und sein Werk lernen wollte. Denn wenn man das Werk eines Künstlers einmal sprachlich zu vermitteln versucht und gegebenenfalls auch verteidigen muss, lernt man bedeutend mehr darüber, als wenn man es nur still für sich betrachtet.
Das heutige Programm hat sich dabei sukzessive entwickelt, Schritt für Schritt und nicht von heute auf morgen. Was meinen heutigen Künstlerstamm angeht, so reichen die ersten Beziehungen in die frühen 80-er Jahre zurück. Günther Uecker beispielsweise lernte ich 1983 kennen, 1985 dann Raimund Girke, 1987 François Morellet und Heinz Gappmayr. Auch David Rabinowitch, Jan van Munster und Gottfried Honegger waren bereits Ende der 80-er Jahre dabei; Anfang der 90-er folgten dann Fabrizio Plessi, Lawrence Weiner und Eduardo Chillida.

DIE WELT:  Eine Galerie in Mainz-Bretzenheim zu eröffnen ist mutig, und in Mainz-Laubenheim eine Ausstellungshalle dazuzumieten ebenfalls. Wer kennt schon diese Orte?

Dorothea van der Koelen:  Dass ich meine erste Galerie in Mainz-Bretzenheim eröffnet habe, die zweite dann vor zehn Jahren in Mainz-Laubenheim, hatte zunächst keine strategischen, sondern rein praktische Gründe. Ich bin in Mainz aufgewachsen, bin hier zur Schule gegangen. Also habe ich hier meine Galerie eröffnet. Und im Nachhinein betrachtet hat sich der Standort als gar nicht mal so schlecht erwiesen. Zum Einen gibt es hier nicht die Konkurrenz anderer international arbeitender Galerien. So ist es mir auch nie vorgekommen, dass ein Künstler, mit dem ich gerne arbeiten wollte, mir gesagt hätte, das er bereits in einer anderen Galerie in meiner Stadt vertreten sei. Darüber hinaus liegt Mainz logistisch betrachtet auch nicht schlecht: in der Nähe eines Weltflughafens und ausgestattet mit einem InterCity-Bahnhof. Was in der näheren oder ferneren Zukunft jedoch sein wird, kann ich noch nicht sagen.

DIE WELT:  Seit vielen Jahren sind Sie auf den Kunstmessen in der ganzen Welt vertreten, was bedeutet die Teilnahme für Sie?

Dorothea van der Koelen:  Die Kunstmessen waren und sind auch heute noch immer ein wichtiger Kunstverkehrsknotenpunkt. Schon 1981 nahm ich zum ersten Mal an einer Kunstmesse teil. Es war die ART in Basel. Ein paar Jahre später folgten Köln, Chicago und schließlich Frankfurt am Main und Madrid. Bis heute dürften es so etwa an die 100 Messen sein, an denen ich teilgenommen habe. Gerade zu Anfang war es für mich besonders wichtig, durch die Messen in den Dialog zu kommen mit anderen Ausstellungskuratoren, neue Sammlerkreise kennen zu lernen und nicht zuletzt mich auch im Vergleich mit den internationalen Kollegen zu sehen, um die eigene Standortbestimmung deutlicher formulieren zu können. Heute ist die Galerien-Tätigkeit hier in Mainz jedoch so umfangreich und vielseitig geworden, dass die Kunstmessen selbst nur noch einen kleinen Aspekt dieser Arbeit darstellen.

DIE WELT:  Ein Grundsatz von Ihnen lautet: Ich will Spezialistin für meine Künstler sein. Wir macht man das, wenn man so viele Künstler vertritt?

Dorothea van der Koelen:  Der Kreis meiner Künstler ist bei aller Verschiedenheit ihrer Ausdrucksformen und künstlerischen Konzepte doch sehr überschaubar. Nur etwa 15 Künstler aus allerdings fast zehn verschiedenen Ländern bilden die Gruppe derer, für die ich mich intensiv einsetze. Dann findet eben nicht nur einmal eine Ausstellung hier in Mainz statt, dann werden Ausstellungen weltweit organisiert, Publikationen verlegt, Kooperationen mit anderen Ausstellungsinstituten angeregt. Da ist es schon wichtig, Spezialist für diese Künstler zu sein, denn sonst kann man kein guter Partner sein, weder für die Künstler, noch für die Sammler, noch für Museumsleute, die diese Künstler vielleicht ausstellen oder deren Werke erwerben wollen.

DIE WELT:  Was haben Sie sich für die nächsten 20 Jahre vorgenommen?

Dorothea van der Koelen:  Was die Zukunft so alles bringt, das kann man nie so genau sagen und Gott sei Dank auch nicht wissen. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass ich die Kunst nach wie vor sehr liebe, wahnsinnig spannend finde und dass mir auch heute noch immer wieder viele gute Ideen in den Sinn kommen, was man mit Kunst so alles machen kann. Und: Wer weiß, vielleicht wird es ja eines Tages auch ein 50-jähriges Galerie-Jubiläum geben.
 

Das Interview führte Marianne Hoffmann.