Hörfunk: Interview mit Dorothea van der Koelen. Von Stephan Lohr.


NORDDEUTSCHER RUNDFUNK  20. MÄRZ 2004  18:05 - 18:30 Uhr
 

NDR KULTUR - DAS GESPRÄCH
 

Lohr:  Mit Stephan Lohr am Mikrophon, und im Studio begrüße ich Dr. Dorothea van der Koelen. Willkommen!

D. van der Koelen:  Vielen Dank!

Lohr:  Frau van der Koelen ist eine begeisterte und begeisternde Kunstunternehmerin, Galeristin in Mainz, seit 3 Jahren mit einer Filiale in Venedig, darüber hinaus kunsthandelnd und vermittelnd tätig auf allen Erdteilen, zum Beispiel auch in den Arabischen Emiraten. Zu den Künstlern, die Frau van der Koelen vertritt, gehören so bekannte wie Eduardo Chillida, der Bildhauer, dessen Skulptur vor dem Berliner Kanzleramt wohl Jede und Jeder schon gesehen hat, wenigstens auf dem Fernsehschirm, oder auch Fabrizio Plessi, dessen monumentale Stahl-Videoarbeiten gerade in einer eindrucksvollen Ausstellung im GROPIUS-BAU in Berlin zu sehen sind. Sie haben als 19jährige Abiturientin, das Abitur gerade in der Tasche, Ihre Galerie gegründet, ...vor jetzt bald 25 Jahren. Was war das Motiv damals, und wie groß war die Illusion?

D. van der Koelen:  Also die Illusion war sicher sehr groß, und wenn man hört mit 19 Jahren eine Galerie aufzumachen, dann muss einem klar sein, dass man eigentlich überhaupt nichts weiß. Ich hatte nur die unbändige Lust mit Kunst zu tun haben zu wollen und das ganz praktisch, weil ich das für einen ganz wichtigen Bereich in unserem Leben halte, natürlich auch durch mein Elternhaus geprägt, aber ich denke, dass die Kunst eben aufgrund ihrer Zwecklosigkeit eines unserer kostbarsten Güter ist, und als ich damals so früh anfing, und überhaupt nichts wusste über einen Geschäftsbetrieb, wie man das ganze realisieren könnte, was oft als besonderer Mut beschrieben wird, dann kann man nur sagen, nur wenn man so jung und unwissend ist, wie ich damals war, kann man den Mut haben anzufangen, denn je mehr man darüber weiß, desto mehr Ängste wachsen ja auch, und desto mehr Skrupel und Unsicherheiten treten auf. Also es war schon gut, dass ich eigentlich nichts wusste. Zunächst war es geplant zwischen Schule, also Abitur, und Universität, den praktischen Umgang mit Kunst ein wenig zu intensivieren, bevor man sich dann sozusagen der Theoria widmet, aber nachdem ich nun damit begonnen hatte fand ich es so spannend und so bereichernd und so schön mit den Künstlern Konzepte zu entwickeln und Gedanken auszutauschen, dass ich sagte: "Das ist mein Leben.", schon 14 Tage nach der ersten Ausstellung, und ich denke da heute, nach 25 Jahren, kein bisschen anders darüber. Ich finde immer noch, ich habe das schönste Leben der Welt, das Spannendste und Aufregendste und Beglückendste.

Lohr:  Frau van der Koelen, es ist nicht so einfach, die Künstlerinnen und Künstler, mit denen Sie arbeiten, auf einen, oder zwei, oder drei Begriffe zu bringen, aber auf Ihrem Galerieschild steht immerhin zu lesen "Konstruktiv, konzeptuell, konkret". Was meint das?

D. van der Koelen:  Zu jedem dieser Worte kann ich gut etwas sagen: "Das Konzeptuelle betont den Aspekt der Ideen, wie auch in Kants Transzendentaler Ästhetik ja vorkommt, sind es die Ideen, die unsere Realität bilden, nicht das was man an sich hat. Das Konstruktive liegt mir natürlich viel mehr als das Destruktive. Es wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, dass unabhängig von den Materialien und Techniken, die die sehr unterschiedlichen Künstler ja verwenden, das Ganze ja einen hohen ästhetischen Aspekt hat, und zwar 'ästhetisch' nicht in ursprünglich griechischem Sinne, sondern in dem geläufigen, das wir etwas sympathisch und schön finden, und das Konkrete meint, dass in dieser Kunst eigentlich keine Ablenkungsmanöver unternommen werden, sondern dass der Betrachter ein bisschen auf sich selbst verwiesen wird. Bekannt ist ja meine große Liebe für weiße Bilder, in allen Schattierungen, ob das nun ein gemaltes Weiß wie bei einem Raimund Girke ist, oder ein konkretes Weiß wie bei Gappmayr oder Morellet, oder ein poetisches Weiß wie bei Lore Bert durch die weißen Bilder, oder bei Günther Uecker durch die weißen Nagelfelder, ist dann vielleicht sekundär. Das sind sozusagen schon Nuancen oder eine zweite Stufe der Betrachtung; aber das konkrete daran sind nicht die Rechtecke auf den Bildern, sondern das konkrete ist, dass man eben nicht eine Illustration geliefert bekommt, die den Betrachter von sich selbst ablenkt, womit er dann vielleicht zufrieden und glücklich ist, sondern es ist etwas, was ihn auf sich selbst wieder verweist. Das hat mit meinem großen Freiheitsgedanken zu tun, mit meiner großen Liebe, den Betrachter eben nicht zu bevormunden, indem er bestimmte Symbole deuten muss, um das Bild erkennen zu können.

Lohr:  Es sind abstrakte, nicht-gegenständlich arbeitende Künstler. Wir bekommen in der Regel keine Menschen, Tiere, Pflanzen zu sehen, sondern eigentlich einen sehr hohen Abstraktionsgrad, der manchmal ironisch ist. Diese Spröde, manchmal, bei allem Genuss an der weißen Ästhetik, ...asketische Kunst, ...

D. van der Koelen:  Das mit dem "asketisch" gefällt mir eigentlich ganz gut, denn unsere Welt ist ja heute sehr opulent geworden, sehr überfrachtet mit allem, mit Bildern, mit Tönen, mit Worten. Ich habe mich mit einem Theologen auf der Universität Bayreuth einmal länger über die Frage des Zentrums unterhalten. Der Mensch hat heute sein Zentrum verloren. Er nimmt alle Wahrnehmungen auf, er verarbeitet sie, er weiß sicher insgesamt relativ viel durch diese vielen Möglichkeiten der neuen Medien die es heute gibt, aber er findet nicht mehr zu sich selbst. Und ich glaube, ein bisschen Askese würde uns allen ganz gut tun, denn man findet leichter zu den wahren Dingen zurück, die sich sonst oft verstecken, hinter dem Vordergründigen.

Lohr:  Das ist ja wichtig zu erwähnen und ein wenig zu beschreiben, die Bilder können wir jetzt nicht sehen, wir können uns nur ihnen annähern, weil wir ja gerade in einer sehr bilderreichen Zeit leben, und zwar meine ich jetzt nicht nur in der Kunst, in der auch so etwas wie die Verpflichtung und Auseinandersetzung mit einem mehr oder weniger verbindlichen Stil - diese Zeit ist vorbei - an dieser Stelle ist eine große Pluralität. Wir haben jetzt aber darüber hinaus mit ganz vielen Bildern zu tun, die uns das Fernsehen, das Kino, die stundenlange Arbeit am PC liefert, und in diese Bilderflut hinein setzen Sie Bilder, die auf neuere Weise wieder zum genaueren Hinsehen erziehen. Würden Sie sich da richtig verstanden fühlen?

D. van der Koelen:  Ja, ja. Ganz genau. Ich sehe das durchaus auch ethisch. Ich habe mich ja auf der Universität im Bereich der Philosophie sehr viel mit Moralphilosophie befasst, also mit Kants Grundlagen zur Metaphysik der Sitten beispielsweise, aber auf der anderen Seite eben auch mit Logik. Ich habe also zwischendurch noch einige Semester auch klassische, formalisierte Logik studiert, und da gibt es einen Logiker namens Willard van Orman Quine, der die Dinge sehr knapp zusammenfasst, und sagt: "Das was es gibt, das ist der Wert einer gebundenen Variablen unter ihrem Quantor." ... möchte ich jetzt nicht ausführen, geht zu weit, aber dieser Willard van Orman Quine, hat auch gesagt, 'die Suche nach Klarheit habe sein Leben bestimmt. Klare Gedanken würden unseren Geist erfrischen wie kristallklares Wasser.' Und das ist sicher auch etwas was mich mitgeprägt hat. Diese Klarheit in den ganzen konfusen Verstrickungen und Verschlingungen und was es alles gibt. Ich bin nämlich überzeugt, dass Schönheit nicht eine nette Begleiterscheinung von Kunst ist, sondern eigentlich das Zentrum der Kunst. Denn alles andere ist Illustration, ...aus meiner Sicht.

Lohr:  Diese Ideen, Frau van der Koelen, diese Theorie und dieses Programm bilden die intellektuelle, die ästhetische und wie Sie erläutert haben, auch ethische Seite Ihres Tuns ab, aber Sie wirken ja dafür als Unternehmerin. Wir haben den Begriff schon eingangs erwähnt. Kunstunternehmerin. Als weltweit tätige Kunstorganisatorin, als Verlegerin dazu. Also hier mischen sich doch ästhetisches Abenteuer und logistische Leistungen und Leistungsanforderung in ganz erheblichem Maße. Lassen Sie uns auch von dieser Anforderung, die ja Ihren Tagesablauf auch sehr wesentlich ...

D. van der Koelen:  ... maßgeblich bestimmt ...

Lohr:  ..., ein wenig sprechen.

D. van der Koelen:  Ja, also, das ganze...Wir organisieren sehr viele Ausstellungen weltweit, also in der Regel sind das etwa 30 im Jahr. Das geht eben von Australien und Korea auf der einen Seite über die Emirate bis nach Los Angeles auf der anderen Seite. Wir haben keine Vorurteile gegen irgendwelche Länder oder Völker, wo wir das nicht täten (Ausstellungen zu machen). Es erfolgt in der Regel auf Einladung und es erfordert natürlich auf der einen Seite logistisch eine Meisterleistung, weil wir ja kein Team von 50 Leuten sind, - ...wir haben ungefähr jede Woche im Schnitt einen internationalen Transport mit Zollproblemen und Terminen und, und, und... - aber wir müssen natürlich das ganze auch finanzieren und das aus eigenen Kräften. Aber ich denke, wenn man ein Ideal hat, das einem so nahe verbunden ist, und keine Alternativen sozusagen, an Geld zu kommen, dann wird man auch erfinderisch, um diese Idee zu realisieren, um jetzt doch wieder auch diese Ausstellung noch machen zu können, obwohl eigentlich, wie immer, das Geld irgendwo knapp ist. Und dieses aus der Not erfinderisch zu werden, das war wahrscheinlich eins der Basisüberlebensstrategien meines Seins.

Lohr:  Reden wir ein bisschen genauer über diesen Kunstbetrieb.

D. van der Koelen:  Mhm..!

Lohr:  Den Begriff gibt es ja. Wer heute kauft eigentlich Kunst und reden wir jetzt mal von Menschen, die für ein Kunststück auch 50.000 oder 150.000 EUR anlegen.

D. van der Koelen:  Das sind heute vielfach selbst Unternehmer. Interessanterweise mehr von unternehmergeführten Unternehmen. Also weniger zum Beispiel Manager und Geschäftsführer, als vielmehr die Unternehmer selber. Ich habe zu einigen dieser Unternehmer ein auch sehr freundschaftliches Verhältnis. Ich versuche immer sehr gerne von ihnen zu lernen, denn wenn es Ihnen gelungen ist, ihr Unternehmen so zu führen, dass sie sich kostspielige Kunst leisten können, dann müssen sie schon sehr gut auf dem Gebiet sein. Und ich hab immer versucht zu lernen und versuche das auch weiterhin und diskutiere auch unter Umständen Marketingstrategien mit ihnen, die man für die Kunst vielleicht analogisieren könnte, und bin dann mit den Menschen, mit denen ich Umgang habe, in welchem Sektor auch immer, sei es Museumsleute, sei es Sammler, sei es Künstler, oft auch sehr eng befreundet.

Lohr:  Kaufen die für sich selbst privat, oder kaufen die für das Unternehmen, um in vielleicht architektonisch ambitionierten Gebäuden für die Mitarbeiter eine Herausforderung durch diese Kunst, die Sie vermitteln, mit in die Betriebskultur zu bringen?

D. van der Koelen:  Also eine meiner sehr begehrten Strategien über Jahre hinweg war, dass wir mit Museen und Sammlern zusammengearbeitet haben. Also beispielsweise ein Museum zu mir gekommen ist und gesagt hat: "Oh dieses wunderbare, große Morellet-Bild, das hätte ich so gerne in meinem Haus, oder die Cabane Ecclatée von Daniel Buren, oder Rabinowitsch-Skulpturen, also diese ganz besonders großen, schweren Ungetümer von Kunst, aber nicht das Geld hatten, die betreffende Arbeit mit öffentlichen Mitteln zu erwerben, und mich gebeten haben, dafür eine Lösung zu suchen. Und ich habe dann in meinem Freundes- und Sammlerkreis gesucht; wer könnte das sein? Habe mir dann in der Regel einen Sammler ausgesucht, den ich darauf angesprochen habe - übrigens immer nur einen, ganz selten dass ich vielleicht einmal zwei Alternativen in Erwägung gezogen habe, weil ich das lieber vorher überlege - und diesen betreffenden Sammler, oder die Sammlerin dann angestiftet die Arbeit zu erwerben, habe dieses finanziell durch Nachlässe auch begünstigt, und die Sammler haben dann die Arbeit als Dauerleihgabe dem Museum zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise haben wir sicher 50 große Arbeiten in hauptsächlich deutschen Museen der Öffentlichkeit wieder erhalten.

Lohr:  Privat Public Partnership....

D. van der Koelen:  Ja... Das ist eigentlich eine wunderbare Geschichte. Das habe ich viele Jahre sehr intensiv und erfolgreich betrieben und es ging immer um Masterpieces - sowohl vom Volumen, als auch von der Bedeutung. Und für den Sammler keine schlechte Sache, denn dadurch dass der Museumsmann/-frau diese Arbeit ja unbedingt für sein Museum wollte, hatte der Sammler eine gewisse Garantie, dass das jetzt nicht nur so durch den Handel bestimmte Intentionen sind, sondern ein Qualitätssiegel hat. In dem Museum wird die Arbeit gehegt und gepflegt, berühmt gemacht und versichert und gelagert, und ausgestellt und abgebildet, bekommt eine Biographie und wird versorgt, und zuhause könnte er (der Sammler) so ein großes Werk ohnehin nicht bei sich aufhängen oder aufstellen. Das ist eine Strategie gewesen, die wir sehr erfolgreich praktiziert haben. Ganz oft ist im Zusammenhang mit diesen Neuerwerbungen der Häuser dann auch eine Ausstellung entstanden. Der Künstler war dann auch glücklich, dass sein neues Werk jetzt in einem schönen Museum hängt. Also, das war eine sehr schöne Geschichte. Das Zweite ist, dass es gelegentlich wirklich sehr große Sammlerpersönlichkeiten gibt, die umfangreiche Sammlungen der verschiedensten Art haben, und dann entweder in ihren Firmen sozusagen gleich Museen integrieren, damit die Werke den Mitarbeitern zur Verfügung stellen und so auch die Mitarbeiter künstlerisch, kulturell prägen, was sicher für das Unternehmen auch gut ist, sich selbst aber gleichzeitig damit einen Wunsch erfüllen können, und darüber hinaus eine öffentliche, soziale Leistung erbringen, indem sie nicht die Bilder für sich behalten, sondern zugänglich machen.

Lohr:  Sie sprechen gelassen darüber und so in dem Bewusstsein, dass das bisher schon häufig geklappt hat, Sie damit gute Erfahrungen gemacht haben, ein gutes Gefühl haben. Gleichwohl, wir leben ja in ökonomisch zum Teil turbulenten Zeiten. Wie bekommen Sie im Kunsthandel dieses Auf und Ab mit?

D. van der Koelen:  Unmittelbar. Geht ganz direkt. Also wir leiden ja mit wenn unsere Sammler leiden. Wir haben beispielsweise 2002 sicher das schwerste Jahr der Geschichte hinter uns gebracht. Es sind in diesem Jahr die Sammlungsblöcke - also Schwerpunkte von Künstlern aufzubauen bei Sammlungen, indem zum Beispiel ein Sammler nicht nur ein Werk kauft, sondern einen ganzen Werkblock aus verschiedenen Epochen - komplett weggebrochen in 2002. Es wurden dann nur einzelne Werke erworben, was sich finanziell immer am Umsatz auswirkt. Und der zweite große Bereich, der auch bei uns umsatzmäßig eine wichtige Position einnimmt, das sind die Art-in-Architecture-Projekte, also die Kunst-am-Bau-Projekte mit Firmen, Banken, Versicherungen, Unternehmen - da geht es natürlich dann auch immer um 6-stellige Summen - auch das ist in 2002 leider vollkommen weggebrochen. Wir hatten sogar von der Allianz eine mündliche Zusage für eine große Plessi-Skulptur, die dann schriftlich zurückgezogen wurde, nachdem 2001 das Ereignis in Amerika war. So hatten wir doch große Umsatzeinbußen.

Lohr:  Sie haben jetzt schon erwähnt, in diesem Kunstbetrieb spielen Museen eine große Rolle, Galerien eine große Rolle. Sie haben nach dem Mut der jungen Abiturientin dann sehr viel später den Mut der relativ erfolgreichen Kunstunternehmerin gehabt, und sich einen Traum erfüllt in Venedig, ...

D. van der Koelen:  Ja ...

Lohr:  ... eine kleine Filiale zu gründen. Ich möchte noch einen Punkt wenigstens in unserem Gespräch ansprechen. Ihr Engagement in den Arabischen Emiraten. Wie ist so was zustande gekommen? Was versprechen Sie sich davon? Was ist das Konzept?

D. van der Koelen:  Also der Weg in die....

Lohr:  ...von Mainz-Bretzenheim aus in die Arabischen Emirate...

D. van der Koelen:  Also der Weg ging zunächst über Ägypten. Lore Bert wurde eingeladen zu einer Ausstellung in Ägypten in der berühmten Echnaton-Galerie, das ist das Museum dort. Es war dann ein Workshop mit Studenten der Kunstakademie angeschlossen, und sie hat die Great Cairo Library ausgeräumt, um eines ihrer großen Environments mit Papier in den Lesesaal zu setzen. Es war revolutionär, weil das gab es überhaupt nicht, dass man das machte, diese ganzen Stühle herausnehmen und damit den Lesesaal aus seiner Funktion zu entheben. Sie hat dann Kugeln von der Decke schweben lassen, mit Buchstaben und Zahlen beschriftet. Diese ganze Installation hieß "Mental Values", also "Geistige Werte". Und das hat jemand aus Abu Dhabi gesehen, und gesagt: "Oh, die Lore Bert wollen wir in Abu Dhabi haben." Dann wurden wir eingeladen nach Abu Dhabi. Es gab eine riesige Ausstellung in der Cultural Foundation. Es gab damals einen ganz besonders kultivierten deutschen Botschafter, einen Herrn Dr. Arndt, der sagte: "Die Kultur ist (hier, in den Emiraten) eigentlich in Sharjah. Ihr müsst dahin. Ich werde einmal Euren Besuch avisieren." Und so kamen wir dann nach Sharjah; dann wurde Lore Ehrenkünstler der Sharjah Art Biennale, dann machte die Sheikha, Al-Qasimi, die Frau von dem Ruler, also dem Herrscher von Sharjah eine Ausstellung mit internationalen Künstlerinnen in dem Sharjah Women's Club, in dem Kulturzentrum für Frauen, die wanderte dann ins Museum und so lernten wir His Highness schließlich persönlich kennen. Also Seine Hoheit Dr. Sheikh Sultan Mohammed Al-Qasimi, Mitglied des Obersten Rates und Herrscher von Sharjah. Und dieser lud mich dann ein kuratorisch eine Ausstellung in besagtem Sharjah Art Museum zu konzipieren und realisieren, und als ich dann fragte: ja, wie viel Räume wir denn haben können, war die Standardantwort immer: "As you like. Your museum." Ich muss sagen, es war eine der erfreulichsten Erfahrungen von kuratorischen Ausstellungsprojekten die ich weltweit sammeln konnte. Man kam mir so hilfsbereit entgegen, alle meine Wünsche wurden mir sozusagen von den Augen abgelesen. Wir hatten sehr, sehr viele Helfer, Fahrer, alles was wir brauchen konnten. Wir haben dann 35 Räume dieses Museums benutzt und auf 2.000qm Ausstellungsfläche 15 Künstler aus 9 Ländern präsentiert. Im Rahmen dieser Ausstellung bat ich dann um eine persönliche Audienz bei Seiner Hoheit, um meine Künstler vorzustellen. Die wurde mir auch gewährt und auf dieser Audienz haben wir uns dann eigentlich persönlich angefreundet. Es war ein wunderbares Gespräch über Kunst, über Ideale, über Völkerverständigung. Auch er sieht Kunst und Bildung als den höchsten Stellenwert an, obwohl er ja eigentlich Politiker ist, und sieht da eine große Chance zu Respekt und Toleranz und Offenheit anderen Nationen, Denkweisen, Strukturen gegenüber, und über Ausstellungsprojekte eine Handreichung zu praktizieren.

Lohr:  Hat sich Ihnen dieses Emirat auch als Markt erschlossen? Ist das eine Geschichte, in die auch... also ist das investikativ ein Stück weit auch und nicht nur idealistisch?

D. van der Koelen:  Also ich muss sagen, als wir in die Emirate gingen - und diese Ausstellung war sehr, sehr teuer von meiner Seite aus, wir haben da sicher 250.000 oder mehr investiert, um die Ausstellung realisieren zu können - bin ich strategisch eigentlich zunächst immer nicht auf diesen Input/Output aus, sondern wenn ich dort eine Chance sehe, sozusagen im Sinne der Völkerverständigung einen Schritt weiter zu kommen, dann reizt mich zunächst die Ausstellung, die Idee. Ich wollte eben Juwelen dort hinbringen um dieses offene Herz für Kunst auch entsprechend zu bedienen, und bin natürlich nachher völlig ins schleudern gekommen, weil diese teure Ausstellung noch in jenes besagte schwierige Jahr 2002 fiel. Aber zuerst ging es nur um die Kunst und die Chance dieser Bindung, und mit Sheikh Sultan habe ich dort einen Partner gefunden, der seelisch so sehr auf meiner Ebene liegt. Wir haben uns sofort auf Anhieb verstanden. Die, für eine halbe Stunde angesetzte, Audienz dauerte 3 Stunden nachher. Und es hat sich wirklich so etwas wie eine Freundschaft entwickelt, soweit man eben halt mit Königen befreundet sein kann. Es wurde damals aus der Ausstellung nichts gekauft, aber in der Folge, also zum Beispiel letztes Jahr, hat sich dann durch diese Freundschaft ein wirklich wunderbarer Dialog ergeben. Sheikh Sultan war dann auch in Deutschland. Es gab diesen ersten Weltkongress für Studien zum Vorderen Orient, der zufällig in Mainz stattfand. Er hat mich dann auch in Mainz besucht, in meiner Galerie, und wir haben eine ganze Reihe öffentlicher, und auch diplomatisch durchaus weitreichender Veranstaltungen in der Zwischenzeit realisiert. Und Seine Hoheit ist eben auch dankbar und sagt: "Was Du hier als Werbung für unser Emirat dahingehend machst, dass die Menschen nicht denken, ein Araber ist von vorneherein ein potenzieller Terrorist, sondern es gibt hier Kultur und Verständigung." Darüber hat er sich sehr gefreut und inzwischen habe ich ihm die ein oder andere Arbeit für seine Sammlung angeboten, weil ich ihn ja auch jetzt kenne, weil ich weiß was ihm gefällt, wo ein Anknüpfungspunkt ist, und er hat auch inzwischen einige Arbeiten erworben und mich zu weiteren Ausstellungsprojekten eingeladen, die dann von seiner Seite aus finanziert wurden; insofern hat sich das letztendlich auch ausgezahlt.

Lohr:  Frau van der Koelen, zurück aus dem Morgenland. Sie haben eine, mit Verlaub, verwegene Idee, nämlich mit einer Stiftung für Kunst und Wissenschaft, Theorie und Praxis zeitgenössischer Kunst und den Dialog der Kulturen zu fördern. Wie soll da was geschehen?

D. van der Koelen:  Die Kunst und die Wissenschaft, speziell die Kunst, sind eigentlich die beiden Seelen in meiner Brust, und in der Gutenbergstadt Mainz großgeworden, und auch als Buchwesenstudentin, Buchwissenschaftlerin, ist natürlich diese Liebe zum Buch ein sozusagen lange genetisch inliegendes Element in mir. So gründete ich ja bereits 1986 den ersten Verlag, 1995 dann den Chorus-Verlag für Kunst und Wissenschaft mit meinem Bruder Martin van der Koelen, und in der Zeit meiner Promotion auf der Uni ist mir immer wieder aufgefallen, wie wenig Bücher über zeitgenössische Kunst es (in den Institutsbibliotheken) gibt. Jedes Museum hat mehr davon, und wie schwierig es ist, wenn man über zeitgenössische Kunst seine Doktorarbeit schreiben will, und dann keine Bücher hat .... Das ist einer der Gründe, der sozusagen zu der Überlegung führte, der andere Grund ist der chronische Platzmangel den wir hier haben. Für unsere ganzen Transporte, Ausstellungen, Projekte, Bücher und so weiter ist immer zu wenig Platz, also plante ich schon seit langem an einer Vergrößerung oder Erweiterung. Dieser Grundgedanke, zusammen mit diesem wissenschaftlichen Aspekt führte dann zu einer weitergehenden Überlegung, nämlich dass man das Ganze irgendwie zusammenzieht, dass man eine Bibliothek aufbaut, eine Forschungsabteilung für Studien über zeitgenössische Kunst theoretischer Art, die aber gekoppelt sein sollte mit praktischen Erfahrungen.

Lohr:  Ein bisschen konkreter heißt das, Sie haben ein Grundstück so gut wie fest zugesagt, Sie sehen sich nach Architekten um, Sie wollen bauen, Sie wollen in dieser Schnittfläche zwischen privatem Engagement und öffentlicher Wirkung und Verpflichtung tätig werden, denn Sie denken auch an eine Kooperation mit der Universität in Mainz....

D. van der Koelen:  Ja.

Lohr:  ...und wollen da dieses ZKW...

D. van der Koelen:  ...dieses 'Zentrum für Kunst und Wissenschaft' aufbauen, in dessen Zentrum des Zentrums sozusagen diese Bibliothek stünde. Wir geben alle unsere Publikationen über zeitgenössische Kunst hinein. Wir wollen ein Stipendium ausschreiben, dass junge Kunsthistoriker, die ihre Doktorarbeit über Kunst nach 1945 schreiben möchten, dort forschen können, 3 Jahre lang finanziell unterstützt werden, aber auch in der Stiftung arbeiten müssen. Es soll ein Museum aufgebaut werden, wo eben Werke aus meiner persönlichen Sammlung sukzessive hinein kommen, aber auch Zustiftungen dazukommen können, und es soll natürlich einen Book-Shop geben, es soll für die Galerie natürlich noch eine Ausstellungsfläche vorkommen, denn ich muss mich ja finanziell beweglich halten.

Lohr:  Das war ein Gespräch mit Dr. Dorothea van der Koelen, der Galeristin aus Mainz-Bretzenheim, die aber ebenso auch in den Arabischen Emiraten tätig ist, wie wir gehört haben. Vielen Dank Fr. Dr. van der Koelen.
Einen guten Abend wünscht Stephan Lohr.