Galerie Dorothea van der Koelen besteht seit 20 Jahren – Am Samstag doppelte Ausstellungseröffnung mit Arbeiten von 20 zeitgenössischen Künstlern aus der ganzen Welt.

Von Stefanie Mittenzwei.


MAINZER RHEIN-ZEITUNG  17. SEPTEMBER 1999
 

MIT KUNST HEISST MIT IDEEN HANDELN

Ihr Name steht im "Who's Who": Dorothea van der Koelen arbeitet von Mainz aus und trägt sich mit Expansionsplänen.

Die Galerie Dorothea van der Koelen besteht 20 Jahre. Das wird gefeiert – natürlich mit einer Ausstellung. 20 Künstlerinnen nd Künstler aus der ganzen Welt präsentieren an zwei Mainzer Orten Arbeiten, viele kommen selbst zur Eröffnung am Samstag. Längst fühlt sich die Mainzer Galeristin überall zu Hause. Ein Gespräch mit Dr. Dorothea van der Koelen.

MAINZ. "Kahnweiler", sagt Dorothea van der Koelen halb im Scherz, "war ein Spätberufener, als er als Kunstsammler anfing. Er war 21." Sie selbst zählte gerade 19 Jahre und war frisch gebackene Abiturientin, als sie in Bretzenheim ihre Galerie für zeitgenössische Kunst eröffnete. Es sollte nur ein Probelauf werden, vor der Entscheidung fürs Studium. "Aber nach 14 Tagen war mir klar: Das ist mein Leben", erinnert sich Dorothea van der Koelen. Daran habe sich nichts geändert.

Voller Energie

Und wie sieht dieses Leben aus? Mehr als die Hälfte des Jahres ist die Galeristin unterwegs, besucht die wichtigen Kunstmessen von Frankfurt bis Chicago oder hilft weltweit, Ausstellungen zu realisieren - rund zwanzigmal pro Jahr. Ein "intensives Glücksgefühl" durchströme sie nach jeder bewältigten Aufgabe. Die enge Verbindung zu Künstlerinnen und Künstlern ist Grundlage dieser Zufriedenheit. "Denn hier gibt es Austausch, und darum geht es im Leben."
Zupackend, voller Energie wirkt die 39-Jährige, die weiterhin ihren langen dunklen Zopf zum klassischen Blazer trägt. "Wenn man sich einlässt, dann mit Haut und Haaren", benennt sie ihr Arbeitsprinzip. "Für Leute, die etwas von mir wollen, bin ich da." Natürlich wählt sie aus, sucht sich ihre Künstler, schaut auf Qualität. Aber sie sei auch verführbar, sagt Dorothea van der Koelen. Verführbar, mit anderen Projekte anzugehen und durchzusetzen.
Ein solches Projekt war der "Käfig der Freiheit" für die Europäische Rechtsakademie in Trier; die Galeristin stellte den Kontakt zu dem berühmten spanischen Bildhauer Eduardo Chillida her und begleitete die Fertigstellung der Stahlplastik.
Gern tritt sie auch anderswo als Ausstellungsmacherin auf. Die Präsentation von Kunstwerken in neuer Umgebung reizt sie. Räume interessieren sie. "Art in Architecture" - der Verbindung von Kunst und Architektur - will sie sich in Zukunft noch häufiger widmen. Jede ihrer Ausstellungen ist eine wohl durchdachte Installation, die akribisch mit Plänen vorbereitet wird. Das geschieht zumeist daheim, in Mainz.
Am Rand von Bretzenheim steht das ebenso geradlinige wie geräumige Haus, das die Mitgift war zum Beginn des Unternehmens Kunstgalerie.
Hier lebt Dorothea van der Koelen mit ihrer Mutter, der Künstlerin Lore Bert, hier organisiert sie ihre Arbeit, hier präsentiert sie Kunst und Künstler. Aber lange schon ist der Platz knapp, und sie möchte innerhalb der nächsten Jahre expandieren, ein großes Gebäude errichten für die verschiedenen Arbeitsfelder. Das kann in der Umgebung von Mainz sein, aber, falls sich kein geeignetes Grundstück hier findet, auch an einem anderen Ort. Noch aber ist das Haus im Vorort ihr "Ruhepol", den sie brauche, um Wagnisse anzugehen.
Dorothea van der Koelen hat einiges gewagt. Die Eröffnung der Galerie mit knapp 20.000 Mark Startkapital, die sie sich bei Jobs verdient hatte, war schon mutig. Das sieht sie heute auch so. Von wirtschaftlichen Dingen habe sie nichts gewusst, damals 1979. Sie sei mit den klassischen Bildungsidealen aufgewachsen, habe ein humanistisches Gymnasium besucht, und auch in der Familie habe man sich im Wesentlichen mit dem Schönen, Wahren und Guten befasst, berichtet die Mainzerin. "Den Aufbau eines Wirtschaftsbetriebes musste ich allein bewältigen."

Kulturarbeit leisten

Sie lernte schnell - auch die Probleme damit zu überwinden, dass "man Geld nehmen muss". Heute sagt Dorothea van der Koelen: "Je mehr Geld ich verdienen kann, desto mehr Kulturarbeit kann ich leisten." Denn die Galeristin ist nicht nur Händlerin, sie ist auch Produzentin. Etwa von Büchern. Vor 13 Jahren gründete sie ihren ersten Verlag, in dem Kataloge erschienen, vor vier Jahren den zweiten: Im Chorus-Verlag für Kunst und Wissenschaft sind seither knapp vierzig Publikationen erschienen.
Und sie tut viel für die Entstehung von neuen Kunstwerken. Als Dorothea van der Koelen jetzt die Jubiläumsausstellung vorbereitete, gingen täglich neue Faxe ein mit detaillierten Plänen. Lawrence Weiner schickte aus den USA den Entwurf einer Arbeit, die Dorothea van der Koelen von Facharbeitern realisieren lässt. Das fertige Bild wird, autorisiert vom Künstler, am Samstag zu sehen sein.
Als "Ideenhändlerin" bezeichnet sie sich auch, denn in der modernen Kunst geht es im Wesentlichen um Ideen. Für Originalität und Kontinuität stehen jene international tätigen Künstler, welche die Galerie vertritt. Einer ihrer Kataloge hieß "Vorstellungsrealitäten". Dass diese sichtbar werden, dass Ideen Gestalt annehmen, daran ist die Galeristin häufig beteiligt. Sie selbst wünscht sich die unmittelbare Erfahrung.
Nach Plänen des Bildhauers David Rabinowitch hat sie tonnenschwere Stahlplastiken schweißen lassen. Erst wurden diese Skulpturen öffentlich vorgestellt, dann wurde ein Käufer gesucht und gefunden. Dazu brauchte es langen Atem. Heute haben die Kunstwerke im Park des Museums Dresden einen sehr guten Platz.
Es gibt auch den anderen Weg: Künstler wie Mario Reis, dessen Flussbilder auf Reisen entstehen bieten ihre Werke in der Galerie an. Dorothea van der Koelen verkauft keine Kunst, die ihr gehört, sondern arbeitet auf Kommissionsbasis. "Damit kann ich ein ganzes Atelier anbieten", nennt sie ihren großen Vorteil.
Voraussetzung für den Kunsthandel sind ihrer Meinung nach umfassende Kenntnisse jedes Künstlers und jedes Werkes. "Ich will Spezialistin für meine Künstler sein", sagt die Galeristin. Bei häufigen Atelierbesuchen und in vielen Gesprächen erwirbt sie den Hintergrund für ihr Verständnis. Aus den intensiven Kontakten zu den Künstlern entstanden dicke Bücher, etwa über den Italiener Fabrizio Plessi oder den Österreicher Heinz Gappmayr. Eines von den drei Büchern zu Gappmayr ist die Promotionsarbeit der Galeristin.

1993 die Promotion

Dass sie 1993 nach einem Studium der Kunstgeschichte, Philosophie, Buchwesen und Romanistik ihren Doktor machte, sei ganz wichtig gewesen, berichtet sie. Damit habe sich auch die Beziehung zu den Museen verstärkt. "Ich bin für diese an der Front tätig und zugleich Wissenschaftlerin."
Der "Dr. phil." war das Tüpfelchen auf dem I für Dorothea van der Koelen. Mit Selbstbewusstsein kann sie heute sagen: "Ich gehöre zu den Spitzengalerien Deutschlands." An diese Position hat sie es geschafft, weil sich Dorothea van der Koelen selbst als "Dienstleisterin der Kunst" versteht. Und dass sie eine Rolle spielt in der Welt, bestätigen ihr die zahlreichen Anfragen von Korea über Amerika bis hin zu den Emiraten nach einer Zusammenarbeit. Der Name Dr. Dorothea van der Koelen ist nicht allein im deutschen "Who's Who" zu finden, sondern seit kurzem auch im amerikanischen.


HINGESCHAUT

Ausstellung in Halle und Galeriehaus "20 Jahre für die Kunst" ist der Titel der beiden Ausstellungen zum Galerie-Geburtstag. Am Samstag, 18. September, wird zweimal Eröffnung gefeiert: in der Ausstellungshalle der Galerie Dorothea van der Koelen in Laubenheim, Dammweg 7 A (16 bis 17 Uhr), und im Galerie-Haus in Bretzenheim, Hinter der Kapelle 54 (17 bis 19 Uhr). Es sprechen Kulturdezernent Peter Krawietz und Bettina Gräfin von Pfeil.

Folgende Künstlerinnen und Künstler zeigen ihre Arbeiten: Lore Bert, Eduardo Chillida, Heinz Gappmayr, Raimund Girke, Nigel Hall, Gottfried Honegger, Joseph Kosuth, Lee Ufan, Richard Long, François Morellet, Jan van Munster, Fabrizio Plessi, David Rabinowitch, Mario Reis, Yuji Takeoka, Günther Uecker, Michel Verjux, Lawrence Weiner, G. Y. Wu.

Die Ausstellungen dauern bis 17. Dezember (geöffnet Dienstag bis Freitag 9 bis 14 Uhr). Es erscheint ein Katalog.